Olaf Posdzechs C4-Pool] [Arzneimittel-Index]
last update: 2001-12-01

Ein Patientenfall von Lac ovinum
Boris Peisker

Chronische Diarrhoe

Seit August ist sie im Kindergarten. Im Dezember hatte sie einen Magen-Darm-Virus, im Januar Wasserdurchfall, letzte Woche schon wieder (Ende Februar)

Sonja hat die Finger im Mund, als ob sie an ihren Nägeln kauen würde. Sie nimmt sofort Kontakt auf, ist null schüchtern.

Sonja ist vier Jahre alt.

Ich verliere auf sehr viel Flüssigkeit. Ich trinke manchmal immer Milch, Fruchtsaft, Apfelsaft bei der Mama von Johannes....Da liegt nichts an dem Saft, überhaupt nichts.

Mutter: Anfang Dezember war sie auf einmal nachts wachgeworden, 3-4.00 Uhr. Der Po war rot vom Durchfall. Nach ein paar mal Durchfall. Sie sagte, ich hab Durchfall, das kam wie angeflogen...

Sonja: Angelogen, das ist lustig, wie du das sagst

Am linken Arm war eine kleine Wunde, die juckte, wurde immer grösser, hat dann geeitert, da nimmt sie jetzt Antibiotika.

Bei der Geburt hatte sie Bauchnabelentzündung, Sie war sehr klein und schwach. Sonst hat sie nie was gehabt.

Sonja: Und heute habe ich das (zeigt auf ihren Arm)

Nahrungsverlangen: Kohlräbchen, auch in gekocht. Mörchen und Erbsen, Fleischwurst, Schokoladenzwieback, Süßigkeiten (ich aß eigentlich viel zu viel...) Schokolade-Zartbitter. Eier, nur das weisse,

Nahrungsabneigungen: Haselnüsse mag ich nicht so gern, in Schokolade mag ich das nicht so gern. Wenn die Nudeln zu hart sind, lass ich sie liegen.

Sonja redet die ganze Zeit, ganz selbstverständlich ist sie im Mittelpunkt

Milch? Trink ich alles.

Traum? Ich träume manchmal von bösen Sachen. Der Christian hat mal gesagt "Scheisserchen". Ein Böser war auf einem Schiff und hat den Motor kaputtgemacht. Und das Boot geht unter, das träum ich manchmal. Wenn ich den Kopf so schüttel, denk ich, ich bin unter Wasser.

Spannendster Traum? Auf einem Segelschiff, da hab ich von Pumuckl geträumt. Ich hab davon viele Kassetten.

Draußen hört man Tatütata. Sonja ist sofort umfassend abgelenkt, sie kommt von Hölzchen auf Stöckchen.

Verwandlungswunsch? In eine Fee, die war ich auch an Karneval, die zaubert gerne, ich würde mir einen Hund zaubern. Wir haben nochn Hund. Der ist schon alt.

Feenwunsch? Ab Weihnachten Ohrringe, vielleicht bringt mir der Osterhase ja welche...Spielhund... Hase

Angst? vor Monstern, die Hörner haben. Ich hab mich so erschreckt, als der Manuel vor mir stand (verkleidet mit Hörnern)

Mutter: Sie ist im Allgemeinen sehr ängstlich. Sie geht nicht die Treppe hoch, wenns anfängt dunkel zu werden. In der Dämmerung geht das schon los. Wenn es irgendwas gab, was sie nicht kannte, war sie immer unruhig, hat schlecht geschlafen. das hat sie aus der Fassung gebracht. Sie will überall hin, wenn viele Leute da sind, gehts ihr schlecht. Wenn sie im Kindergarten eine Woche gefehlt hat, steht sie erstmal da und guckt.

Angst: vor Schafen, Kühen, die sind neben der Wiese durch den Zaun, da kriegt sie Panik. Vor Eseln und Kamelen hat sie keine Angst. Sie träumt auch davon.

Sonja: Ich habe von gelben Blumen geträumt, das sind immer die, die sind gefährlich für die Schafe, die kriegen Schmerzen davon. Und von Schafen, dass die auf mein Bett gesprungen sind und Milch auf mein Bett gemacht haben.

Einen Tag später kommt die Mutter allein:

Wenn wir irgendwo hinkommen, sitzt sie normal erstmal auf dem Schoß, das war gestern nicht normal.

Schwangerschaft? Super, wie ich’s erfahren hab, ist mir sofort schlecht geworden. Nach der 12. Schwangerschaftswoche war aber alles ok. gewesen. Sonst ne tolle Schwangerschaft.

Wie ichs erfahren hab, eigentlich nicht so toll, wir wollten zwei Jahre lang, da war ich an einem Punkt, wo ich sagte, gut, erstmal doch nicht. Als ich es dann erfahren habe, hab ich erstmal geheult. Ich hatte Hunger, das war besonders, ich hab noch nie viel gegessen., ich hab auch Gemüse, Fleisch etc. gegessen, was ich sonst nicht gern esse.

Geburt? sehr einfach, sehr schnell. Innerhalb einer halben Stunde. Ich hatt furchtbare Angst vor der Geburt, ich hätte am liebsten einen Kaiserschnitt in Vollnarkose gehabt, aber das haben die nicht gemacht. Ich wusste nicht, was auf mich zukommt, da hätte ich lieber Vollnarkose gehabt und wär aufgewacht, wenns vorbei ist.

Stillen konnte ich nicht, habe versucht, abzupumpen, aber nach vier Wochen hat die Milch aufgehört. Ich musst mich auch immer um Oma kümmern, die wird jetzt 87.

Sie ist kaum gestillt worden. Sie hat Ersatzmilch getrunken, hat gut durchgeschlafen.

Letztes Jahr hatten wir beide eine Lungenentzündung, erst sie, dann ich. Die ist aber eigentlich erst anfälliger geworden, seit sie im Kindergarten ist.

Laufen? spät, mit 14-15 Monaten

Zähne? mit 6 Monaten der erste

Geschichte: Pumuckl-Dinger. Was sie furchtbar gern macht, ist, sich mit Stiften zu bemalen.

Lieblingsfarbe? ne...doch! Gelb! Sie möchte immer alles in Gelb haben, wenn wir was kaufen.

Sie hat Angst vor Horden. zwei Schafe beim Onkel sind ok. aber wenn eine Horde ankommt...auch Kinderhorden.

Kindergarten? Ist vom ersten Tag strahlend da hingegangen, keine Krise bisher.

Durchfall? hat auch gestunken, habe ich auch untersuchen lassen, war aber nichts, der hat furchtbar gerochen, sie hat ja gar nichts drinbehalten, direkt Durchfall, nach einer Stunde.

Was hat sie von der Mutter? gerne Süssigkeiten essen. Die kommt sehr nach meinem Mann, sie kann schnell sauer werden, das kann ich auch.

Vom Vater? Hauptsächlich das Aussehen, so wie sie redet, ist genau wie ihr Vater manchmal hört man ihren Vater raus.

Sie ist sehr unsportlich, nach wem kommt die? – Wir sind beide sehr sportlich.

Bis jetzt war sie eigentlich eher zurückhaltend und schüchtern.

Familienanamnese: Opa mütterlicherseits Schlaganfall, Opa väterlicherseits mit 38 an Krebs gestorben, Leukämie, mein Mann war da 11, ein Onkel hat auch Hodenkrebs.

Oma väterlicherseits hat mit Beinen Probleme, immer offene Beine, Wunden, die nicht heilen.

Bei mir war das so, als Kind war ich ständig krank, konnte fast nur noch liegen, ab zwei Jahren. habe dann Asthma gehabt, sobald ich mich aufgeregt hatte oder mit Kindern gespielt hatte. War total schwach, habe nie gut gegessen. In der Schwangerschaft war das das erste Mal, dass ich Hunger hatte im Leben. Es wurde damals immer schlechter, als Kind, ich habe gar nicht gespielt, nur gelegen.

Analyse

Sonja ist ein aufgewecktes Kind, das, seit sie im Kindergarten ist, mehrfach mit Magen-Darm-Problemen zu tun hat, und seitdem auch dauerhafte Stuhlveränderungen hat. Die Pathologie ist nicht sehr tief, eventuell macht sich die Mutter auch mehr Sorgen, als man sich machen muss.

Was ist charakteristisch an diesem Fall?
Recht wenig, was in vertraute Bahnen lenken würde. Einige Hinweise gibt es auf ein Milchmittel: Sie hat – wie viele Kinder - die Finger im Mund, wie bei Nägelkauern. Sie konnte nicht gestillt werden. Das erste Getränk, das sie nennt, ist Milch. Und sie träumt von Schafen, die Milch in ihrem Bett hinterlassen.
Die zweite, wirklich merkwürdige Begebenheit ist ihre Angst vor Schafen. Das Repertorium kennt diese Angst nicht. Überhaupt gibt es nur Cimicifuga, das Wahnideen von Schafen hat. Cimicifuga würde auch zur Angst in der Schwangerschaft von der Mutter passen. Cimicifuga bleibt aber nur zweite Wahl.
Das Thema Milch ist mehrfach besetzt, das Thema Schaf ist durch den Traum aufgewertet, weil zweifach besetzt. Träumt das Mädchen gar von ihrem Heilmittel, Schafsmilch?
Ein Versuch sollte es Wert sein:

Therapie: Lac ovinum C 200 (Glückauf)

Folgekonsultation, sieben Wochen später:

Diese Globuli haben gut geholfen, der Stuhl wurde sofort dunkel, sie hat keinen Durchfall mehr gehabt. Sie hat auch nicht mehr tagelang gelegen oder Medikamente nehmen müssen.

Ab und zu ist der Stuhl mal dünn, gestern z.B. morgens war der dünn, nachmittags war der wieder fest. Da ist nichts beunruhigendes mehr dran.

Traum? Immer wenn es dunkel wird, dann träume ich Gespenster mit einem Gesicht.

Was machen die? Hui Hui, vor denen mit Decke drüber habe ich keine Angst, nur von denen mit bösen Gesichtern. Das sind immer ganz viele, aber von den lieben, das sind immer ganz wenig. Die Bösen sehen aus wie Drachen, die machen Feuer. Manchmal haben die so rote Punkte überall, das sieht fies aus, wenn das Blut ausgesaugt ist, - Dinos gibts doch jetzt nicht mehr, ne, Mama?

Ängste? Ist ja eh alles besser geworden, als sie klein war, da war das schlimm.

Schafe? Bis jetzt sind die noch nicht da...

Anderswo übernachtet? Ja, zwei mal bei der Schwiegermutter. Sie wird frei, man merkt’s, sonst war sie nur bei meiner Mutter, jetzt ohne Probleme auch bei der Schwiegermutter.

Gab es eine Erstreaktion? Nee, nur, das der Stuhl direkt dunkel geworden ist.

Das hat mich fasziniert, diese kleinen Kügelchen, dass das so gut geklappt hat.

Sonja hat die ganze Konsultation über ihre Finger nicht im Mund gehabt.

Beurteilung:
Die Hauptbeschwerde, der ständig dünne und entfärbte Stuhl, der der Mutter Sorgen machte, war direkt verschwunden. Die Mutter, die sich möglicherweise wegen ihrer eigenen Kindheits-Krankengeschichte mehr Sorgen als andere Mütter macht, ist ihre Sorgen los.
Die Pathologie war hier nicht sehr tief, aber alles was zu klären war, wurde durch das Mittel schnell geklärt.
Ich hatte mit der Mutter keinen weiteren Termin ausgemacht, sie sollte sich bei Bedarf wieder melden.

Weiterer Verlauf

15 Monate nach der Erstanamnese rief ich die Mutter noch einmal an, aus Neugierde:

Mit der Angst vor Schafen hat sich eigentlich gelegt, nee, die füttert die jetzt auch.

Mit Durchfall hat sie eigentlich auch nichts mehr zu tun. Nur im Winter, da hat sie mal Antibiotika genommen, danach hatte sie wieder etwas Durchfall.

Mit dem Hinweis darauf, dass statt der Antibiotika auch richtig gewählte Homöopathika einen Infekt beheben können verabschiedete ich mich von der Mutter.

Boris Peisker

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