Zwischen Trivialliteratur und Esoterik

Zur Oper "Aber die Glut bleibt" von Frank Goika und Olaf Pottzeck
Rezension von Dr. U. Brunnengift

Welche Eindrücke bleiben nach der Uraufführung jenes Werkes, das von dem Publikum mit Sehnsucht erwartet wurde, nach einer Woche? 
Haften blieben mit die wüsten Begeisterungsausbrüche eines enthemmten Publikums, das von der effektheischenden Musik zu einer völligen Auflösung getrieben wurde; die Unverständlichkeit des krankhaft übersteigerten Textes wurde auf diese Weise zwar überspielt, aber dafür kam es zu einer unschönen Schizophrenie: Musik und Text hemmten sich immer mehr, bis jedes nur noch allein existierte.
Frank Goika, der Textautor und Regisseur und Darsteller des Cortés in Personalunion war, hatte die Arrangements, die durch Phantasielosigkeit und Einfallsmangel gekennzeichnet waren, locker zu einem diffusen Ganzen gefügt, und Olaf Pottzecks Musik verwies dieses schwebende Gewebe gänzlich in das Reich des Überirdischen. Beide Künstler haben die Verbindung zum Boden der Realitäten verloren, und eine Zeit der Bewährung in der sozialistischen Produktion würde ihnen gut tun.

Was kann uns ein Werk vermitteln, in dem Indianer, Könige und gräßliche Amazonen (Chor!) auftreten, wenn an allen Fronten um die Planerfüllung und gute Zensuren gerungen wird?
Aufhellung der historischen Ereignisse um die Zerschlagung des mexikanischen Aztekenreiches durch die Spanier war das Anliegen des Elaborats, Verschleierung und pseudophilosophische Ausbrüche das Resultat, das nun zu Buche steht und die Urheber, zu denen noch ein gewisser Thomas Collivä als Künstlerisch-technischer Mitarbeiter zählt, ein scheußlich unwissender Mensch mit verkrampftem Auftreten, vor den Augen der Welt als das bloßstellt, was sie sind: Stümper.

Das Stück war unterteilt in Sprechparts, Gesangseinlagen und drei Spielszenen, die nur eingefügt waren, um die Langweiligkeit des ewigen Wechsels von rhetorischem Geschwafel und blökendem Gesang zu bekämpfen. Die Sprecher hauchten ihren Text so undifferenziert, daß die letzten Reste von Qualität vernichtet wurden. Die Will als Mauerblümchen, blaß und ohne Profil, der Collivä als polternder Offizier i. R.; bei der Litzba spürte man, daß sie schon bessere Tage hatte, und die Randt lispelte erbärmlich. Eingefügt in die Sprechparts war das Auftreten des Chors, der im ersten Teil Szenen aus dem Marktleben darstellte, darstellen sollte, denn was ich auf der Bühne zu sehen bekam, waren Bilder von einem Strandkiosk.
Bei seinem gesanglichen Auftreten blieb der Chor wirkungslos, und ein wenig mehr Ausstrahlung und Kraft hätten ihm nicht geschadet. Die Solisten Engel und Kudlik verfehlten ihre Einsätze, die Mattis sang ein grausames Lied so schön, daß es lächerlich wirkte. Einzig die Lehmitz und die Priemer leisteten Beachtliches, das allerdings geschmälert wurde durch ihre hochgradige Unsicherheit.

Die Spielszenen wirkten starr und oberflächlich; die Texte wurden nicht aus dem Spiel entwickelt, sondern aufgesagt, so daß es keine Dialoge gab, sondern nur einen Wechsel von Monologen. Moctezuma (Carmen Wolff) zeigte nur ein Gesicht, eine kalt-unbewegliche Miene, und Cortés (Frank Goika) wurde zum machtbesessenen Fiesling degradiert; sein unvermittelter Wutausbruch erschien mir verfehlt und obendrein zu sehr gekünstelt.
Die Randfiguren waren allemal schwach; sie waren Sprachröhren, keine Personen. 

Völlig verfehlt: die Todespantomime im Finale, ein metamorphischer und modernistische Tendenz aufweisender Reigen schwarzer Gestalten, gruppiert um den Tod; Aktualitätsbezug und Ewigkeitsduselei mit unlauteren Mittel.
Sehr schön der Schluß, der den siegreichen Optimismus des fast völlig vernichteten Volkes ad oculum demonstriert. Ein Hohelied auf den Volkskampf.

Die Musik Olaf Pottsecks bestand hauptsächlich aus Technik, ohne die sie nicht lebensfähig wäre, und diese totale Abhängigkeit von Verstärkern, Mischgeräten, Tonbändern u.v.a. rächte sich als Einbuße ursprünglicher Musizierfreudigkeit. Bei den Liedern wurden einmal gefundene Tonfolgen bis zum Überdruß wiederholt und gesteigert; schöne Phrasen wurden zerstört, weil Pottzeck sie auslatschte, bis sie nichts mehr hergaben.

(F.G., 1980)